Wie lerne ich eine neue Figur?
Ich habe in mehreren Postings meine Theorien darüber beschrieben, was bei jedem einzelnen Schritt im Tango passiert. In diesem Blog Beitrag möchte ich anhand eines konkreten Beispiels erläutern, wodurch sich diese Theorien vom normalen Tango Unterricht unterscheiden, so wie ich ihn kennengelernt habe.
Im klassischen Tango Unterricht werden Herrenschritte und Damenschritte gelehrt. Üblicherweise werden diese zunächst getrennt eingeübt, bevor das Paar schließlich zusammenkommt und die neue Figur zusammen übt.
Da die Folgenden schon wissen wie sie gehen sollen, kommt es nun häufiger dazu, dass sie ihre Schritte von alleine ausführen, also
- nicht auf den Führungsimpuls des Führenden warten,
- sich in dem Tempo bewegen, das sie gelernt haben und nicht in dem Tempo, das tatsächlich geführt wird,
- bei jedem Schritt des Führenden anfangen zu überlegen, welche Figur gemeint sein könnte und dann diese erratene Figur tanzen ohne Rücksicht darauf, was tatsächlich geführt wird. Das ist insbesondere dann problematisch, wenn ein anderer Ausgang aus der Figur geführt wird oder die Figur durch den Führenden zwischendurch abgebrochen und / oder verändert wird.
Umgekehrt gilt für die Führenden:
- Sie konzentrieren sich darauf, ihre eigenen Herrenschritte korrekt zu setzen und nicht darauf, die richtigen Damenschritte zu führen.
- Sie führen immer eine komplette Figur und nicht jeden einzelnen Schritt.
- Statt die Schritte der Folgenden zu begleiten, machen sie ihren eigenen Schritt vor dem Schritt der Folgenden, weil sie annehmen, dass die Herrenschritte Bestandteil der Führung sind.
Wie in meinen Blog Artikeln beschrieben, stellt sich für mich die Lage komplett anders dar:
- In meiner 3-Säulen Theorie stelle ich fest, dass im Tango immer die Tanzpartnerin an erster Stelle steht. Die erste Priorität besteht also immer darin, sich auf die Tanzpartnerin einzulassen, im Rahmen dessen, was die Musik und meine eigenen Fähigkeiten zulassen.
- In der Schritt-für-Schritt Anleitung analysiere ich die Kommunikation im Paar, die bei jedem einzelnen Schritt im Tango erfolgt. Dabei wird insbesondere die Rolle der Damenschritte und die Rolle der Herrenschritte geklärt: Die Herrenschritte haben nichts mit der Führung des aktuellen Damenschritts zu tun, sondern sie begleiten den aktuellen Damenschritt und bereiten den nächsten Damenschritt vor.
- Meine Theorie der drei Zeitebenen erklärt, dass in jeder Bewegung des Führenden drei Elemente berücksichtigt werden müssen:
- die aktuelle Führung und Bewegung,
- das Setzen des eigenen Schritts als Vorbereitung des nächsten Schritts,
- die Kommunikation der nächsten Bewegung an die Folgende.
Wenn ich eine neue Figur lerne, dann bedeutet das zusammengefasst für mich:
- Ich muss als erstes die Damenschritte lernen. Denn das sind die Schritte, die ich führen muss.
- Wenn ich die Damenschritte führen kann, dann muss ich zeitlich rückwärts durch die Figur gehen und mir überlegen, wohin ich meine eigenen Schritte am besten setze, um den nächsten Schritt der Folgenden möglichst gut führen zu können. Daraus ergeben sich die Herrenschritte, mit denen ich die Damenschritte begleite.
- Wenn es einen Wechsel lineare Bewegung → Drehung oder Drehung → lineare Bewegung gibt, dann muss ich diese entsprechend mit meiner Körperspannung vorbereiten, damit es zu einer gleichmäßigen Bewegungsfolge kommt.
Meine Art, eine Figur zu analysieren, zu verstehen und zu lernen ist damit komplett anders als in jedem Unterricht, den ich bisher mitgemacht habe. Aber nur, wenn ich eine Figur in dieser Reihenfolge analysiere, verstehe ich, wie meine Führung aussehen muss, damit meine Tanzpartnerin und ich eine neue Figur schließlich so tanzen können, dass wir uns synchron und präzise bewegen, wobei gleichzeitig die Stabilität der Achse gewährleistet ist und die Dynamik der Bewegung berücksichtigt wird.
Ich habe übrigens den allergrößten Respekt vor Führenden, die eine Figur dadurch lernen können, dass sie diese Figur bei anderen Tänzern abschauen. Ich selber kann bei einem anderen Paar höchstens die Damenschritte erkennen, also Punkt 1 der Liste. Aber die Punkte 2 und 3 passieren ja vorher und damit ist der entscheidende Moment immer schon vorbei, wenn ich bemerke, dass ich ihn brauche.
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