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Verbunden im Hier und Jetzt

Als Ingenieur und Naturwissenschaftler mag ich esoterische Begriffe eigentlich gar nicht. In diesem Fall komme ich aber leider nicht drum herum: Die Verbindung im Paar zwischen Führendem und Folgender kann man nicht wirklich erklären, sondern man muss sie spüren und erleben, um sie zu verstehen und anzuwenden. Die grundsätzliche Idee der Verbindung besteht darin, dass Führender und Folgende die körperlichen Signale des anderen wahrnehmen und in eigene Bewegungen umsetzen, ohne dass eine physische Kraft zwischen den beiden wirkt. Wie das genau funktioniert, weiß ich nicht, und ich habe auch keinerlei Literatur dazu gefunden. Wer hierüber mehr weiß, möge sich bitte bei mir melden. Die Wahrnehmung der Signale kann sowohl über direkten Körperkontakt erfolgen als auch rein durch Beobachtung des Gegenüber. Sie ist also insbesondere unabhängig von einer bestimmten Art der Umarmung. Das ist ein großer Vorteil gegenüber den Arten der Führung, die mit "Push" und "Pull" oder &

Führen und Folgen

In meinen anderen Blog Beiträgen habe ich mehrfach den Begriff "Führungsimpuls" verwendet. In diesem Beitrag möchte ich nun genauer erläutern, was ich darunter verstehe. Anlass sind einige Beschreibungen zum Thema "Führung", die ich den letzten Tagen gelesen habe und die zumindest in meinen Augen sehr skurril sind.  Zum Beispiel beschreibt der bekannte Tango-Blogger und Tango-Lehrer  Jochen Lüders Führung so : " beim Führen handelt es sich letztlich um simple Physik (Impulsübertragung bzw. ‑erhaltung) [...] Wenn der Mann jetzt seinen Oberkörper nach links dreht, spürt die Frau in ihrer linken Hand Druck und Zug in ihrer rechten. Nach dem Prinzip der Impulsübertragung bzw. ‑erhaltung (im Idealfall „action = reactio“) gibt sie dem Druck nach und folgt dem Zug und dreht ebenfalls ." Der bekannte Tango-Blogger und Buchautor Gerhard Riedl  beschreibt Führung so : "Die Impulsübertragung Kennen Sie dieses nette physikalische Spielzeug, bei dem etliche Metall

Erfahrung und Analyse

Einleitung In diesem Blog Beitrag geht es um die Frage, was ich mir von einem guten Tango-Unterricht wünsche. Dabei beleuchte ich zwei Aspekte: Was zeichnet einen guten Lehrer aus? Welche Inhalte wünsche ich mir im Tango Unterricht? Zu den Lehrern Das klassische Vorgehen beim Tango Unterricht basiert darauf, dass der Lehrer über möglichst viel praktische Erfahrung verfügt. Der Lehrer tanzt selber gerne Tango und hat irgendwann genug eigene Erfahrung gesammelt, die er dann an seine Schüler weitergeben kann. Das ist wie das Handwerk in alten Zeiten, als der Meister seine Erfahrungen an seine Lehrlinge weitergab. Je mehr Erfahrung der Meister hat, desto mehr lernt der Lehrling. Wenn ich als Schüler einen guten Lehrer suche, dann orientiere ich mich also in diesem klassischen Rollenmodell am besten daran, wie gut dieser Lehrer selbst tanzt. Wenn er viel Erfahrung hat und mir sein Stil gefällt, dann schließe ich mich ihm an und versuche möglichst viel von seinem Wissen zu erlernen. Eine Kon

Wie lerne ich eine neue Figur?

Ich habe in mehreren Postings meine Theorien darüber beschrieben, was bei jedem einzelnen Schritt im Tango passiert. In diesem Blog Beitrag möchte ich anhand eines konkreten Beispiels erläutern, wodurch sich diese Theorien vom normalen Tango Unterricht unterscheiden, so wie ich ihn kennengelernt habe. Im klassischen Tango Unterricht werden Herrenschritte und Damenschritte gelehrt. Üblicherweise werden diese zunächst getrennt eingeübt, bevor das Paar schließlich zusammenkommt und die neue Figur zusammen übt. Da die Folgenden schon wissen wie sie gehen sollen, kommt es nun häufiger dazu, dass sie ihre Schritte von alleine ausführen, also nicht auf den Führungsimpuls des Führenden warten, sich in dem Tempo bewegen, das sie gelernt haben und nicht in dem Tempo, das tatsächlich geführt wird, bei jedem Schritt des Führenden anfangen zu überlegen, welche Figur gemeint sein könnte und dann diese erratene Figur tanzen ohne Rücksicht darauf, was tatsächlich geführt wird. Das ist insbesondere dan

Gegenwart und Zukunft

Heute möchte ich mich einem weiteren Technik Thema widmen, das anscheinend nur von den wenigsten Führenden bewusst eingesetzt wird: Beim Tango bin ich als Führender gedanklich immer gleichzeitig in mehreren zeitlichen Ebenen unterwegs. Ich habe für mich zumindest drei zeitliche Ebenen identifiziert, die ich in diesem Beitrag vorstellen möchte. Wahrscheinlich gibt es noch mehr. Kommentare und Ergänzungen sind wie immer willkommen. Die erste zeitliche Ebene ist die Gegenwart. Hier findet meine Führung statt, ich spüre die Reaktion der Folgenden usw. Den genauen Ablauf habe ich in der ersten Hälfte  dieses Blog Beitrags  beschrieben. Die zweite zeitliche Ebene befindet sich einen Schritt weiter in der Zukunft. Ich muss wissen, welchen Schritt ich als nächstes führen möchte, damit ich meinen eigenen Schritt, mit dem ich den Schritt der Folgenden begleite, entsprechend setzen kann. Diesen Ablauf, also dass der Herrenschritt den nächsten Damenschritt vorbereitet, habe ich in der zweiten Hälf

Der perfekte Tango

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In diesem Blog Beitrag geht es um ein sehr persönliches Erlebnis. Ich habe am letzten Freitag tatsächlich den perfekten Tango erlebt. Besser kann ein Tanz nicht werden! Das war für mich eine absolut überwältigende Erfahrung, die ich hier mit euch teilen möchte. An diesem Abend war ich zusammen mit meiner Lebensgefährtin und Tanzpartnerin auf einer Milonga im Staatstheater in Wiesbaden. Dort gibt es ungefähr alle zwei Monate eine Milonga, bei der immer auch ein Live Orchester spielt. An diesem Freitag gab es allerdings einen kleinen Unterschied zu allen anderen Auftritten von Live Orchestern, die ich bisher erlebt habe: Es hat nicht nur das gesamte Orchester mehrere Sets gespielt, sondern es gab auch zwei Solo-Einlagen, einmal vom Bandoneon und einmal von der Gitarre.  Dieses Lied, das von der Gitarre gespielt wurde, war ein bekannter traditioneller Tango, sodass meine Tanzpartnerin und ich beschlossen, dass wir darauf tanzen wollen. Alle anderen Teilnehmer der Milonga wollten allerding

Ladies First

Ich habe diesen Punkt schon in einigen Artikeln kurz erwähnt, aber immer nur in einem Nebensatz. Er ist aber so wichtig, dass ich ihm einen eigenen Blog Beitrag widmen möchte. Es geht um die Bedeutung der Damenschritte für den Führenden. Einfach gesagt: Die Damenschritte muss ich als Führender sowieso kennen. Wie soll ich eine Folgende führen, wenn ich nicht weiß, was ich von ihr haben will? Anders ausgedrückt: Gute Führung bedeutet nicht, die eigenen Herrenschritte zu beherrschen. Gute Führung bedeutet, die Führung der Damenschritte der Folgenden zu beherrschen. Eigentlich ist diese Erkenntnis recht offensichtlich, auch wenn sie von einigen Führenden nicht immer so umgesetzt wird. Und bisher wurde dieser Punkt auch noch in keinem Tango Unterricht, an dem ich teilgenommen habe, so explizit ausgesprochen. Darum also dieser Beitrag. Im Einzelnen: Meine Aufgabe als Führender ist es, die Folgende dazu zu bringen, bestimmte Schrittfolgen zu machen, die letztlich die Figuren ergeben, die nac