Warum blogge ich?

Mein Blogger-Kollege Yokoito hat mich gestern am Rande einer Milonga auf seinen neuesten Blog Artikel angesprochen. In seinem Beitrag stellt er einige Fragen zum aktuellen Stand der Tango Blogs.

Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist, dass "probably all the stories have been told already multiple times." 

Das wäre schon mal der erste Punkt, bei dem ich ihm widersprechen möchte. Ich habe meinen Blog ja genau deswegen gestartet, weil ich viele Informationen vermisse. Praktisch alle Blogs, die ich kenne, sind "von Experten für Experten" geschrieben. Für Menschen wie mich, die den Tango erst lernen wollen, enthalten sie sehr wenige brauchbare Informationen. Die Frage, die am Anfang hinter meinem Blog stand, war: "Was hätte ich gerne in meinem Tango Unterricht gelernt, von dem ich heute weiß, dass es mich zu einem besseren Tänzer macht?" Diese Geschichten wurden definitiv noch nicht mehrfach erzählt. 

Und sie werden erst recht nicht unterrichtet. Ein Themenkomplex, der sich immer weiterentwickelt, ist der Tango Unterricht selbst bzw. dessen Lehrmethoden. Zum Glück leben wir nicht mehr in einer Zeit, in der der Maestro vorgetanzt hat und die Schüler sollten es nur durch Zuschauen lernen und nachtanzen. Und wer es durch Zuschauen nicht verstanden hat, der hat eben Pech gehabt.

Aber auch der Unterricht, den wir alle wahrscheinlich kennen, mit vielen Figuren und wenig Informationen zu den Grundlagen, ist hoffentlich nicht das Ende der Entwicklung. Jochen Lüders hat in seinem Blog einige Ideen zum Tango Unterricht vorgestellt. Art13 Tango hat einen eigenen, sehr analytischen Stil entwickelt, wie sie Tango unterrichten. Da gibt es sicher noch ganz viel zu entdecken und weiterzuentwickeln.

Später sind in meinem Blog weitere Aspekte hinzugekommen. Zum Beispiel möchte ich meine Begeisterung für bestimmte Künstler, TDJs, Musik oder Events mit meinen Lesern teilen. Und auch hier denke ich, dass keineswegs alle Geschichten schon einmal erzählt wurden. Es gibt immer wieder neue Orchester, die sowohl die traditionellen Stücke hervorragend interpretieren als auch eigene neue Kompositionen einspielen. Es lohnt sich, bezüglich Cuarteto Rotterdam, Sexteto Cristal, Bandonegro oder Solo Tango auf dem Laufenden zu bleiben, um nur einige zu nennen. Und es kommen bestimmt immer wieder neue spannende Orchester hinzu.

Auch die Musik selbst entwickelt sich weiter. Miguel Di Genova von Otros Aires, Carlos Libedinsky von Narcotango oder Vito Venturino von El Cachivache haben inzwischen schon ziemlich viele graue Haare in ihren Bärten. Nach 20 Jahren Elektrotango wird es langsam Zeit, dass musikalisch mal wieder etwas Neues kommt. Ich bin dankbar für jeden Blogger, der die Tango Musikszene beobachtet und über neue Entwicklungen berichtet.

Und schließlich gibt es ja auch noch den Tanz selbst. Wir wissen alle, dass die Art, wie heutzutage Tango Argentino getanzt wird, nur noch sehr wenig mit dem Tango zu tun hat, der vor 100 Jahren getanzt wurde. Heute werde ich nicht mehr aus der Milonga geworfen, wenn ich eine Colgada tanze oder einen Gancho führe. Hier vermisse ich einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen im Tango. 

Natürlich gibt es mehr als genug Berichte über die Weltmeisterschaft. Aber das, was dort gezeigt wird, kann keiner von uns Amateuren tanzen. Es ist also nicht wirklich hilfreich. In welchem Blog finde ich "alltagstaugliche" Anregungen, die ein Amateur wie ich auf meiner lokalen Milonga anwenden kann? Da gibt es für erfahrenere Tango Tänzer ganz sicher noch mehr als genug zu beschreiben.

Als Anregung ein konkretes Beispiel: Ich habe schon etliche Blog Beiträge gelesen, in denen darüber diskutiert wird, ob Piazolla tanzbar ist oder nicht (was in meinen Augen eine völlig sinnlose Diskussion ist). Oder, dass Pugliese "schwierig" zu tanzen ist und ein TDJ daher vorsichtig sein sollte, was er den Tänzern auf einer Milonga zumutet.

Wie wäre es denn, wenn ein Blogger an einem konkreten Beispiel die Möglichkeiten einer musikalischen Umsetzung vorstellt? Warum schreibt nicht mal ein erfahrener Tango Tänzer, was man bei "Zum" von Pugliese alles hören kann und wie man das Gehörte beispielhaft tänzerisch umsetzen kann? Solch einen Blog Beitrag würde ich sofort lesen, (oder anschauen), weil er mich als Tänzer weiterbringen würde.

Nach diesen Vorbemerkungen kann ich die Fragen von Yokoito beantworten:

  • What would make you read tango blogs?
    Ich lese gerne Blogs, die sich mit den Themen beschäftigen, die ich oben beschrieben habe.
  • Which tango blogs are you reading right now?
    Bei Jochen Lüders und Gerhard Riedl schaue ich immer mal wieder rein und beteilige mich auch aktiv an der Diskussion. Cassiel fand ich immer sehr interessant, weil er sehr tiefsinnig und differenziert schreibt. Aber leider hat er mit dem Bloggen aufgehört. Alles andere ergibt sich eher zufällig oder durch Empfehlungen - die wiederum hauptsächlich aus Facebook stammen.
    Auf Facebook folge ich Thomas Kröter. Das ist zwar kein Blog im strengen Sinne. Aber ich finde seine Postings immer sehr inspirierend.
    Und in den Podcast von Cabeceo.at höre ich auch gerne immer mal wieder rein. Wenn die Folgen nur nicht so lang wären...
  • If you stopped reading such blogs, why?
    Warum soll ich mir auch noch den zehnten Artikel zum Thema "Vor- und Nachteile des Cabeceo" antun? Macht mich das zu einem besseren Tänzer?
  • English or German preferred? (we live in 2025 and good translators are ubiquitous, but anyway)
    Deutsch - offensichtlich.
In diesem Sinne: Yokoito, du hast deutlich mehr Erfahrung im Tango Argentino als ich. Und interessante Themen gibt es mehr als genug. Also: Hau rein in die Tasten und lass uns an deinem Erfahrungsschatz teilhaben!

Kommentare

  1. Der Link zu "ART13 Tango" verweist nur auf die Website. Ich finde dort nichts über einen "sehr analytischen Stil".

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    1. Richtig: Ihr Geschäftsgeheimnis erzählen sie dort nicht. Du musst schon einen ihrer Workshops buchen, wenn Du ihre Denkweise und Methodik kennenlernen möchtest.
      https://www.art13tango.de/tangobewegung/

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  2. Als "Anregung" für "erfahrenere" Tänzer nennst du die Tanzbarkeit von Piazzolla und gleichzeitig findest du diese Diskussion "völlig sinnlos". Was denn jetzt???

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    1. Ich finde die Diskussion um die Tanzbarkeit völlig sinnlos, weil die Leute einfach selber entscheiden, ob sie zu Piazzolla tanzen wollen oder nicht - völlig unabhängig davon, wie gewisse Blogger dazu stehen. Das habe ich gerade selber wieder vor ein paar Tagen erlebt: Als das Orchester anfing, Libertango zu spielen, hat ein Drittel der Tänzer die Tanzfläche verlassen und zwei Drittel haben zu der Musik getanzt.

      Und genau deswegen, weil ich weiß, dass Piazzolla nicht für jeden inspirierend ist, habe ich als lohnendes Beispiel Pugliese und nicht Piazzolla gewählt.

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  3. Wie gewünscht, das "lohnende Beispiel": https://jochenlueders.de/?p=17445

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