Eine Anmerkung zur Motivation

Die Tangodanza hat in den letzten Ausgaben eine Diskussion zur Überalterung im Tango geführt, die auch in einigen Blogs weitergeführt wurde. Thomas Kröter hat die Diskussion aus der Tangodanza aufgegriffen, und Jochen Lüders (hier und hier) und Gerhard Riedl (hier und hier) haben sie weitergeführt. 

Die beiden Letztgenannten sehen insbesondere in der Musik das größte Hindernis, um ein jüngeres Publikum anzusprechen. Diesen Punkt sehe ich überhaupt nicht. Ganz ehrlich: Glaubt irgendjemand ernsthaft, die Leute würden 200 Euro für eine Eintrittskarte für ein Konzert von Taylor Swift oder Helene Fischer bezahlen, weil deren Musik so unglaublich genial ist, dass selbst Igor Strawinsky vor Neid erblassen würde? Natürlich nicht. 

Den entscheidenden Grund für die Überalterung nennt meiner Meinung nach Klaus Wendel in seinen Kommentaren zu Jochen Lüders: Er spricht davon, dass die meisten Tango Tänzer Tango als "gesellschaftliches Event" ansehen. Und das ist genau der Punkt: Die Leute geben nicht 200 Euro aus für gute Musik. Sie geben 200 Euro aus für eine gute Show, für das Gemeinschaftserlebnis und für das Wissen und das Gefühl, Teil einer internationalen Gemeinschaft zu sein.

Ich habe über den Unterricht an der TU Darmstadt Kontakt zu einigen jüngeren Tänzern. Und diejenigen, die beim Tango dabeibleiben, sind genau diejenigen, die mir mit leuchtenden Augen davon erzählen, was sie auf den internationalen Tango Festivals erleben und wie wunderbar es doch ist, mit einem guten Tänzer zu einem Live Orchester zu tanzen. So macht Tango Spaß!

Genau hier kann der Tango seine Stärken ausspielen. Mein Ansatz wäre:

  • Ermuntert junge Tänzer, möglichst früh auf Milongas zu gehen.
  • Nehmt den jungen Tänzern die Angst, dass es beim Tango Argentino nur um "Mumien schieben" geht und weist sie auch auf Neotango Milongas und Events hin.
  • Sagt den jungen Tänzern Bescheid, wenn bei euch in der Nähe ein Tango Orchester live zum Tanz aufspielt.
  • Ermuntert die jungen Tänzer zu Tango Reisen, bei denen sie eine Woche lang Tango Unterricht an einem schönen Ort genießen können.
  • Sprecht über die internationalen Festivals und Marathons und erklärt den jungen Tänzern, wie inspirierend es ist, mit den besten Tänzerinnen und Tänzern zu tanzen, die man in Europa finden kann.

Dann erleben die Tänzer am eigenen Leib, wie es sich anfühlt, Teil der internationalen Tango Community zu sein. Und das ist das, was sie an den Tango Argentino binden wird.



Kommentare

  1. Tja, da wird Helge wohl recht haben: Wer geht schon wegen der Musik zum Tango? Absurde Idee! Auf Neolongas werden ja auch keine Tangos aufgelegt. Eben!
    Entscheidend ist der Eventcharakter: Laserblitze, Feuerwerk, Bodennebel, Massenbegeisterung.
    Noch bringt man dazu der Jugend einige tangoähnliche Schritte bei. Was aber eigentlich überflüssig ist. Zuschauen und Miterleben reicht.
    Aber was kümmert’s mich? Auf den lokalen Milongas kriege ich davon eh nichts mit. Die Jungs und Mädels sind ja auf Reisen. Das erhält meinen Seelenfrieden.

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    1. Lieber Gerhard,
      Nach eigenem Bekunden bist Du noch nie auf einem internationalen Tango Festival gewesen. Du weißt also gar nicht, wie es ist, wenn man zu traditionellen Tangos tanzt, die live gespielt werden von einem der Spitzenorchester wie La Juan d'Arienzo oder Solo Tango. Du weißt auch nicht, wie inspirierend es ist, wenn man zum Beispiel Murat Erdemsel und Silvina Tse live beim Tanzen zuschauen kann.
      Insofern sei es dir verziehen, wenn du irgendwelche wirren Dinge wie Laserblitze und Bodennebel zusammen fantasierst.
      Liebe Grüße,
      Helge

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    2. Lieber Helge,
      zumindest Live-Orchester habe ich schon einige erlebt. Und ich bin mit einer Musikerin verheiratet, die auch Tangos spielt und singt.
      Murat Erdemsel und Silvina Tse habe ich schon auf einigen Videos gesehen. Sicherlich zu deren Vorteil, weil man dann ja schwächere Auftritte aussortieren kann.
      Zudem glaube ich nicht, dass beispielsweise Kriminal-Autoren vorher jemanden umbringen müssen, wenn sie einen Mord beschreiben wollen. Daher glaube ich, internationale Tango-Festivals ganz gut beurteilen zu können. Zumal die meist schrecklich schöne Videos ihrer Events produzieren.
      Nett, dass du mir die Laserblitze und den Bodennebel verzeihst. Aber nachdem du die Erlebniskultur in Shows von Taylor Swift oder Helene Fischer verortest, bin ich von solchen Stilmitteln ausgegangen.
      Aber auf meine Einstellung kommt es ja nicht an. Hauptsache, der Jugend gefällts. Vielleicht verbinden es manche von ihnen sogar mit Tango
      Beste Grüße
      Gerhard

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    3. Lieber Gerhard,
      Du schreibst:
      "Zudem glaube ich nicht, dass beispielsweise Kriminal-Autoren vorher jemanden umbringen müssen, wenn sie einen Mord beschreiben wollen. Daher glaube ich, internationale Tango-Festivals ganz gut beurteilen zu können."
      Nur zur Erinnerung: Krimi Autoren beschreiben nicht die Wirklichkeit. Krimis gehören zum Bereich "Fiktion".
      Liebe Grüße,
      Helge

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    4. Lieber Helge,
      natürlich ist die Handlung eines Krimis Fiktion. Trotzdem muss ein Mord so lebensecht beschrieben werden, dass er den Leser beeindruckt.
      Auch beim Tango spielt die Fiktion eine große Rolle. Die Zuschauer sollen ja glauben, es gehe um Leidenschaft und Sinnlichkeit.
      So ganz realistisch ist also auch der Tango nicht. Und, wie gesagt, gibt es ja in beiden Bereichen schrecklich-schöne Verfilmungen.
      Gruß
      Gerhard

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