Kurznotiz 21: Im Bolschoi Theater

Mein Blogger Kollege Gerhard Riedl hat vor ein paar Tagen in seiner Facebook Gruppe einige ältere Artikel aus seinem Blog vorgestellt, die er weiterhin für sehr wichtig hält. In einem davon erklärt er, wie man am besten Tango lernt. Dabei vergleicht er den heutigen Fußball mit der deutschen Nationalmannschaft, die 1954 Weltmeister wurde. Er zitiert aus dem Buch "Die 84. Minute":

Der damals 22-jährige Eckel beschreibt darin, wie er die Anfangsgründe dieser Sportart erlernte – auf dem Schulhof oder in einer Toreinfahrt:

„Wenige Jahre später, mit sieben oder acht, ging ich dann regelmäßig mit den Älteren mit. Anfangs ließen sie mich noch nicht mitspielen, aber immerhin durfte ich dabeisitzen und zuschauen. [...]

Ich habe allerdings jeden Tag trainiert, alleine. Dieses Training mit mir selbst war mein eigentliches Training.“

Riedl schließt daraus: 

Ich meine, das „Expertenunwesen“ schadet dem Tango ebenso wie dem Fußball. Fortschritte sehe ich vor allem bei Paaren, die sich selber bemühen anstatt von Kurs zu Kurs zu torkeln.

Diese Einschätzung konnte ich nicht so ganz nachvollziehen. Wenn ich an die EURO-24 zurückdenke und mir vorstelle, wie ein Spiel zwischen der systematisch ausgebildeten U17 Mannschaft des FC Barcelona gegen die damaligen "Helden von Bern" aussehen würde: Da würde die U17 Mannschaft die deutsche Nationalmannschaft schwindlig spielen und haushoch gewinnen.

Aber meine Einschätzung war etwas voreilig: Ein paar Tage später stellte uns Riedl die Tänzerin Eleonora Kalganova vor, von der er sehr angetan ist. In den Kommentaren zu diesem Artikel gibt es eine ausführliche Diskussion zwischen Riedl und einer seiner ehemaligen Tanzpartnerinnen. Die beiden geben Kalganova (die immerhin Profi-Tänzerin am Bolschoi Theater war) Tipps zur Tanzhaltung, zur Fußstellung und zum Tanzstil. Zum Beispiel sagt Riedl zu ihrem Schuhwerk:

Ihre [gemeint ist seine Diskussionspartnerin] Sorge hinsichtlich des Hallux valgus teile ich. Daher rate ich Tänzerinnen stets zu bequemen Sneakers.

Das hat mich zutiefst beeindruckt! Ich nehme hiermit mein vorschnelles Urteil zur Riedlschen Lernmethodik zurück. Ich kenne keine andere Methodik, die Amateure so schnell so weit bringt, dass sie sogar Profitänzern, die an den besten Theatern der Welt tanzen, fachlich fundierte Tipps geben können zu Themen, über die diese Tänzer offensichtlich selbst noch nicht nachgedacht haben.

Kalganova scheint allerdings diese Tipps zu ignorieren. In den Videos, die nach dem Publizieren des Artikels aufgenommen wurden, tanzt sie weiterhin mit hochhackigen Tanzschuhen. Mir ist vollkommen unerklärlich, warum sie Riedls Rat nicht angenommen hat.

Kommentare

  1. Ich empfehle wirklich dringend, die beiden im Text verlinkten Artikel selber zu lesen! Übrigens habe ich mit keinem Wort betont, dass ich sie für „sehr wichtig“ halte. Ich empfehle öfters ältere Texte von mir – häufig deshalb, weil sie bemerkenswert hohe Zugriffszahlen aufweisen. Wenn schon, halten sie offenbar meine Leserinnen und Leser für recht interessant.
    Weiterhin ist mir nicht erinnerlich, Eleonora Kalganova tänzerische Tipps gegeben zu haben. Für das, was Kommentatorinnen oder Kommentatoren schreiben, bin ich allerdings nicht verantwortlich. Meines Wissens diskutierte ich mit einer ehemaligen Tanzpartnerin vor allem über „authentischen“ Tango – und die Entwicklung dieses Tanzes generell.

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    1. Lieber Gerhard,
      Ich habe wie von Dir gewünscht ein wörtliches Zitat aus Deinen Kommentaren ergänzt. Ich fürchte allerdings, dass Du trotzdem mit meinem Artikel nicht zufrieden sein wirst.
      Liebe Grüße,
      Helge

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    2. Lieber Helge,
      es geht nicht darum, ob ich mit deinen Artikeln „zufrieden“ bin.
      Ich möchte nur nicht, dass du Aussagen von mir erfindest. Mit keinem Wort habe ich in meinem Text oder der anschließenden Diskussion Eleonora Kalganova Tipps gegeben – weder zum Schuhwerk oder gar „zur Tanzhaltung, zur Fußstellung und zum Tanzstil“.
      Das ist von dir frei erfunden, um dann behaupten zu können, die Tänzerin habe „meinen Rat nicht angenommen“. Dass du diesen schlechten Stil offenbar nötig hast, sagt viel aus.

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    3. Lieber Gerhard,
      In der Tat habe ich (offenbar fälschlicherweise) angenommen, dass es sich bei einem Satz, der mit "Ich rate Tänzerinnen stets ..." anfängt, um einen Ratschlag handelt. Wenn dem nicht so ist, dann bin ich nun etwas ratlos, um was für eine Aussage es sich stattdessen handeln soll.
      Liebe Grüße,
      Helge

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