Der perfekte Tango

In diesem Blog Beitrag geht es um ein sehr persönliches Erlebnis. Ich habe am letzten Freitag tatsächlich den perfekten Tango erlebt. Besser kann ein Tanz nicht werden! Das war für mich eine absolut überwältigende Erfahrung, die ich hier mit euch teilen möchte.

An diesem Abend war ich zusammen mit meiner Lebensgefährtin und Tanzpartnerin auf einer Milonga im Staatstheater in Wiesbaden. Dort gibt es ungefähr alle zwei Monate eine Milonga, bei der immer auch ein Live Orchester spielt. An diesem Freitag gab es allerdings einen kleinen Unterschied zu allen anderen Auftritten von Live Orchestern, die ich bisher erlebt habe: Es hat nicht nur das gesamte Orchester mehrere Sets gespielt, sondern es gab auch zwei Solo-Einlagen, einmal vom Bandoneon und einmal von der Gitarre. 

Dieses Lied, das von der Gitarre gespielt wurde, war ein bekannter traditioneller Tango, sodass meine Tanzpartnerin und ich beschlossen, dass wir darauf tanzen wollen. Alle anderen Teilnehmer der Milonga wollten allerdings nicht tanzen sondern nur zuhören und haben offenbar darauf gewartet, dass wieder das ganze Orchester die Bühne betritt. Wir waren also das einzige Paar auf dem Parkett.

Und nun begann etwas vollkommen Unerwartetes: Der Musiker hat uns beide gesehen, er hat bemerkt, dass wir die einzigen sind, die tanzen, und er hat daraufhin seine Musik an unseren Tanz angepasst und mit seiner Musik unsere Bewegungen begleitet. Diese Situation war komplett surreal: In diesem großen Saal, mitten zwischen all diesen Menschen, entspann sich auf einmal ein sehr persönlicher, geradezu intimer Dialog zwischen meiner Tanzpartnerin, der Musik und mir. Es war nicht wie sonst, wo wir beide zu einer vorgegebenen Musik tanzen, sondern genauso hat sich auch umgekehrt die Musik an unseren Tanz angepasst.

Das Ergebnis war der perfekte Tango: Ein Tanz, bei dem jeder einzelne Schritt, jede einzelne Bewegung, in perfekter Harmonie zur Musik erfolgte.

Ein geradezu mystischer Moment, der meine Tanzpartnerin und mich zutiefst bewegt hat und noch immer bewegt.

Vielen, vielen Dank an Diego Jascalevich, der uns mit seiner Interpretation von El Choclo auf seiner Charango diesen unglaublichen Moment geschenkt hat!



Jetzt, mit ein paar Tagen Abstand, erkenne ich, was beim perfekten Tango wichtig ist für mich, und was eben auch nicht ganz so wichtig ist:
  • Die wichtigste Erkenntnis für mich: Für den perfekten Tango ist nicht wichtig, dass ich möglichst komplexe Figuren tanzen kann oder dass mein Tanz besonders dynamisch und akrobatisch ist. Ganz im Gegenteil: Bei diesem speziellen Tango waren 100 Augenpaare auf uns gerichtet, und da habe ich mich natürlich auf die Dinge beschränkt, bei denen ich zu 100% sicher bin, dass meine Tanzpartnerin und ich sie sauber und fließend tanzen können.
  • Zum Orchester: Es ist nicht notwendig, Tango mit einem großen Orchester zu spielen. Natürlich macht es mehr Eindruck, wenn acht Bandoneons und 16 Geigen zum Tanz aufspielen. Aber für die Intimität des Tanzes spielt die Größe des Orchesters keine Rolle.
  • Zur Musik: Ja, es gibt komplexe Musik und ich bewundere jedes Paar, das seine Interpretation von Oblivion veröffentlicht. Aber für den perfekten Tango braucht es diese Komplexität nicht. Ein gefühlvoller Tanz lässt sich auch mit variantenreicher Musik erreichen, ohne es mit der Komplexität zu übertreiben.
Wie sieht es bei Euch aus? Habt ihr solche Momente schon einmal selber erlebt? Was macht für Euch den perfekten Tango aus?

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